Traditionelle Bräuche des Böttchergewerbes
Festlichkeiten zu Ehren des Schutzheiligen Urban Im Mittelalter hatte jede Zunft einen Heiligen als Schutzpatron, der oft auf Fahnen, Schilden, Zunftbechern, Zunftladen und Siegeln abgebildet war. Im Fall der Binder ist es der Hl. Urbanus, der auch oft auf Bindereiprodukten, vor allem auf großen Weinfässern, in geschnitzter Form zu sehen ist. Urban war Bischof von Langres in Frankreich und starb den Märtyrertod. Seine Bedeutung erlangte er durch die angebliche Einführung des Weinbaus in seiner Diözese. Die Legende erzählt, dass er sich vor seinen Verfolgern hinter einem Weinstock verbarg. Deshalb hält er in den Darstellungen nicht nur eine Traube, sondern häufig eine ganze Rebe mit Trauben in den Händen und wird auch als Patron der Winzer gefeiert. Sein Namenstag wird seit dem 15. Jahrhundert am 25. Mai gefeiert.
Böttcherreime
Jedes Handwerk hatte seine Arbeitsreime und Scherzsprüche, so auch das Bindergewerbe. Ein bekannter Böttcher - oder Arbeitsreim, der während des Reifauftreibens gesprochen oder gesungen wurde, lautet:
Ich bin der Böttcher Ich binde das Fass,
drum wird mir beim Binden die Stirne ganz nass.
Der Rhythmus der Worte stimmt genau mit dem Arbeitstakt des Handwerkers überein, welcher zwischen Setz- und Treibhammer einzuhalten ist. Johann Praßl
führt auch Scherzsprüche an, wie:
Wer das Küferhandwerk veracht, den holt der Teufel bei der Nacht.
Ein Böttcher, der nicht säuft, Ein Hobel, der nicht läuft,
Ein Mädel, das nicht stillhält, Gehöret nicht auf diese Welt.
Mit Eichenholz und Rebensaft der Böttcher sich durch’s Leben schafft.
Arbeitsbräuche
Der Ausfeuerwein
Das Ausfeuern des Fasses war eine besonders heikle Arbeit, weil bei unsach- gemäßer Behandlung der Wein einen unerwünschten Geschmack erhielt. Bei
dieser Arbeit wurde der Böttcher natürlich auch sehr durstig. Für die Arbeit erhielt er vom Winzer als Belohnung 2-5 Liter Wein, den so genannten ‚Ausfeuerwein’, den der Lehrling bereits vor dem
Ausfeuern holen musste.
„Macht der Böttcher die Arbeit gern, macht er einen großen Gern“
Das Arbeitsessen
Das Fass wurde vom Böttcher in den Keller geliefert und ‚eingerichtet’, also an dem vom Winzer bestimmten Platz im Keller aufgestellt. Dies war des öfteren mit größeren Mühen verbunden, vor allem, wenn die beschränkten Raumverhältnisse ein Zerlegen und neuerliches Zusammensetzen des Fasses notwendig machten. Nach Beendigung der meist stundenlangen Arbeit wurde im Keller der Kundschaft dem Böttcher und den Gesellen ein deftiges Arbeitsessen angeboten. Dieser Brauch ist auch heute noch üblich und wird gerne wahrgenommen, aber nicht so sehr als Brauch gesehen, sondern eher als ein Akt der Höflichkeit, welcher das oft sehr persönliche Verhältnis zwischen Böttcher und Kunden unterstreichen soll.
Der Binderschlag
Dies ist ein Brauch, der das Antreiben der Reifen mit dem Hammer zu einer rhythmischen Schlagfolge gestaltet. Bei größeren Fässern werden die Reifen
von mehreren Schäfflern gleichzeitig angetrieben, wobei die Schlagfolge einem regel- mäßigen Taktschlag gleicht. Arbeiten drei Küfer, so ergibt dies einen Dreiviertel- takt. Das Lied „Von mein
Handwerk da bin i a Binda“ entspricht genau diesem Dreierschlag. Der leitende Antreiber, im Allgemeinen der Meister, gibt das Grundtempo vor (d.h. den jeweils ersten Schlag im Takt) und er
markiert schließlich auch den Abschlag durch Doppelklopfen. Dann haben alle anderen Antreiber sofort aufzuhören oder noch den vollen Takt zu Ende zu schlagen, was zu einem geordneten Schluss führt.
Man hört gelegentlich, dass die Binder dazu ein Binderlied gesungen hätten, allerdings kann dies nicht bestätigt werden und es erscheint auch wegen der hohen körperlichen Anstrengung während des
Reifenantreibens nicht wahrscheinlich.
Der Bindertanz oder Schäfflertanz oder „Schafflmochatanz“
Der sogenannte Bindertanz hat seinen Ursprung im 16. Jh. zur Pestzeit und wurde bei der Urbanifeier aufgeführt. Er wurde vor allem in Salzburg und München gepflegt, wo es viele Brauereien und demnach auch viele Bierfässer produzierende Binder gab. Eine Chronik übermittelt die Entstehung des Tanzes im Jahr 1517: Die Pest wütete in Salzburg und München und forderte viele Opfer. Als die Pest am Erlöschen war, getraute sich niemand auf die Straßen. Da waren es die Fassbinder, die in buntem Aufzug und mit klingendem Spiel und fröhlicher Laune durch die Straßen tanzten und so die Menschen wieder auf die Straße lockten. Davon berichtet auch der Text zu diesem Tanz:
In München wird der Schäfflertanz in einer Siebenjahresfolge und zu besonderen Feierlichkeiten, wie der 800-Jahr-Feier der Stadt München oder den Olympischen Spielen 1972 aufgeführt. Carolin Raffelsbauer beschreibt die einzelnen Tanzfiguren: „Zuerst kommt die ‚Schlange’, dann die ‚Laube’, im Anschluß das ‚Kreuz’, die ‚Krone’, die ‚vier kleinen Kreise’ und der ‚große Achter’, dann das ‚Changieren’ und als letztes der ‚Reifenschwung’. Dabei werden zwei sich verjüngende Holzreifen mit einem bis drei Gläsern bestückt ...Die Aufgabe des Reifenschwingers besteht darin, auf einem geschmückten Faß stehend die Reifen mit den gefüllten Gläsern mehrere Minuten lang in verschiedenen Figuren über seinen Kopf und durch die Beine zu schwingen, ohne dass Flüssigkeit verloren geht.“ Natürlich spielt bei diesem Tanz auch das Fass eine zentrale Rolle: „Während des Tanzes schlagen drei Schäffler auf diesem Faß den Takt, indem sie die Schäfflerarbeit nachahmen und dem Publikum den sogenannten Dreischlag vorführen, mit dem besonders bei größeren Fässern der Faßring angetrieben wurde.“ Im Jahr 2009 wird vom 150-jährigen Jubiläum vom Murnauer Schäfflertanz berichtet, der in Anlehnung an den Müncher Schäfflertanz hier aufgeführt wird und eigentlich nicht bodenständig ist. Man hält ebenfalls die Siebenjahresfolge ein, doch hat man dieses Mal wegen des runden Jubiläums eine Ausnahme gemacht. Allerdings haben sich einige Eigenheiten herausgebildet, so gibt es in Murnau den Fasskasperl, der dem Büttenredner bei den Fasnachtsbräuchen entspricht. Der Maler Paul Hey hat im Jahr 1900 eine Anzahl von Entwürfen für eine Post- kartenserie gemacht, darunter auch die Wiedergabe des Schäfflertanzes.
Im Laufe der Zeit wurde der Tanz etwas verändert und ausgeschmückt. Auch in Österreich wurde zunächst der Schäfflertanz gepflegt, scheint aber dann in Vergessenheit geraten zu sein. „Nach einer mehr als hundert Jahre dauernden Pause erweckte Schulrat Karl Adrian (1861-1949) im Jahre 1924 im Einvernehmen mit der Binderinnung den alten Tanz zu neuem Leben. Erst 1959 wurde ein Teil der traditionellen Kostüme neu angeschafft.“Das Binderlied Jedes Handwerk kennt seit alters her Lieder, die die Besonderheiten des Berufs in Text und Rhythmus charakterisieren.
Es ist ein Arbeitslied, das beim Reifenauftreiben gesungen wurde. Der Takt stimmte mit dem Rhythmus überein, mit dem die Eisenreifen mit dem Treib- und Setzhammer auf das Fass angebracht wurden. Wurde das Lied in der Freizeit gesungen, so wurde der Takt mit der Hand nachgeklopft.
Böttcherlied
Ich bin der Böttcher, ich binde das Fass
vom Binden wohl wird die Stime mir nass
Doch hurtig und munter die Reifen herum
Und dann mit dem Hammer gewandelt rund um
rund um rund um
Ich bin der Böttcher, ich binde das Faß
so fröhlich und flink als wär es nur Spaß
und mach ich dabei auch den Rücken oft krumm
so ist es doch lustig zu wandeln rund um
rund um rund um
Ich bin der Böttcher und binde das Faß
und würd ich ein Prinz, was hülfe mir das?
Ich wäre nicht besser, nicht froher darum
und wär auch nicht fleißig und ginge rund um
rund um, rund um
Drum bleib ich Böttcher und binde das Faß
und schaffe für Weib und Kinderchen was
die schmausen dann abends und freuen sich drum
daß fleißig ums Faß ging der Vater rund um
rund um rund um
Die Böttcher wurden ‚Rumtreiber’ genannt, weil sie die Reifen um die Fässer trieben, zugleich aber auch selber umherzogen, um die benötigten Dinge
an Ort und Stelle in den Häusern und Höfen herzustellen.
Spätmittelalterliches Fässer-Stechen
Von diesem Brauch, der im späten Mittelalter von den Bindern ausgeübt wurde, liest man in der Fachzeitschrift „Der Faßbinder“ Der Bürgerstand hat im
späten Mittelalter in Anlehnung an die Turniere der Ritter Kampfspiele ausgetragen, die sich im Beisein zahlreicher Zuschauer großer Beliebtheit erfreuten. Es gab auch ein Tonnen- oder Fässerstechen,
mit dem die Zünfte der Böttcher, Schäffler, Büttner oder Fassbinder an die Öffentlichkeit traten. Die Gegner, auf Tonnenwagen reitend, versuchten, sich gegenseitig „aus dem Sattel zu heben“, wobei
sie von Gesellen in für sie möglichst günstige Ausfallsstellungen gezogen wurden. Ein rundes Korbgeflecht am Ende der Lanze sorgte dafür, dass es zu keinen schweren Verletzungen
kam.